Wahre Liebe – „der Stoff, aus dem wir gemacht sind“
„Liebe ist nur ein Wort“… so überschreibt Johannes Mario Simmel einen seiner Romane. Nur ein Wort?
Immerhin: „Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete … und wenn ich alle Geheimnisse wüsste und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts“, hält der Apostel Paulus, hier etwas frei zitiert, im „Hohelied der Liebe“ dagegen.
Tatsächlich reduzieren heute viele Menschen ihre Vorstellung von Liebe auf orgastische, sexuelle Empfindungen oder setzen Liebe/Geliebtwerden gleich mit materiellem Reichtum, Titeln oder auch teurer, modischer Kleidung. Drückt sich hier nicht vielmehr die Sehnsucht aus, anerkannt zu werden und dazuzugehören? „Ohne Liebe wäre ich nichts“, sagt Paulus, woraus zu folgern ist, dass eine lieblose Gesellschaft an einer massiven Krankheit leidet.
Auch die gespendete vermeintliche Liebe eines Menschen mit Helfersyndrom ist nicht wirklich heilsam. Noch einmal Paulus mit dem „Hohelied der Liebe“ herangezogen: „Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib brennen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze.“ Zuwendung eines solchen Menschen hat meistens sehr versteckt, vor allem vor ihm selbst, mit Befriedigung eigener Bedürfnisse zu tun.
Die Herkunft des Wortes Liebe
Die Herkunft des Wortes Liebe entstammt der mittelalterlichen Minne, die geistige Zuwendung zu Gott oder einem anderen Menschen bedeutete und mit Gefühlen von Freude und Glücksseligkeit vergleichbar ist. Viele Arten von Zuwendung oder Liebe kennen wir.
Die „beliebteste Liebe“ ist wohl die zu einem Partner/einer Partnerin, die in einer Beziehung oder Ehe gelebt wird. Wenn zwei Menschen aufeinander treffen und sich ineinander verlieben, spielen auf der physischen Ebene sicher auch chemische Botenstoffe wie Adrenalin, Endorphin oder das als Glücksbringer bekannte Dopamin eine Rolle. Die Chemie muss stimmen, sagt man, und dann könnte aus Verliebung später Liebe werden.
Doch ob eine so genannte Liebes-Beziehung auf Dauer liebens- und lebenswert bleibt, kann sicher nicht chemischen Prozessen in die Schuhe geschoben werden. Die einen trennen sich, wenn sie von Wolke sieben wieder etwas unsanft auf der Erde gelandet sind, die anderen bleiben zusammen, auch wenn „die Chemie“ schon lange nicht mehr stimmt. Die Angst vorm Alleinsein spielt häufig eine entscheidende Rolle. Besser ein ungeliebter Partner als gar keiner, man braucht doch einen Menschen neben sich im Leben.
Stellen wir uns mal das Menschlein am Lebensanfang vor. Ein Baby, es sorgt für sich, etwa durch Geschrei, wenn es Hunger hat, und es schläft, wenn es müde ist, egal in welcher Situation. Irgendwann beginnt es, seine Umgebung zu erkunden, aber vor allem sich selbst. Es lernt sich zu spüren, bewegt strampelnd seine Beine und jauchzt vor Freude. Es ertastet seinen Körper, berührt sich, kennt keinerlei Ekel oder Selbstablehnung. Im Gegenteil, es interessiert sich in wertschätzender Weise für sich selbst – sogar für seine Exkremente, bevor es lernt, dass Aa „baba“ ist. Ein Baby ist voller Liebe für sich, seinen Körper, seine Bedürfnisse. Natürlich lernt es auch, dass es in Abhängigkeit lebt, von der Mutter etwa, einem anderen Wesen an seiner Seite, das es nährt, wärmt und schützt.
Mit dem Heranwachsen beginnt auch schon der Lösungsprozess. Das Kind erfährt nach und nach, dass es ein selbstständiger Mensch ist, was sicher hin und wieder mit Wehmut oder sogar Schmerzen verbunden ist, aber bestenfalls auch mit freudiger Neugier aufs eigene Leben. Diesen Lösungsprozess gut zu entwickeln, ist wohl eine der anspruchsvollsten Aufgaben für Eltern und Kind. Im glücklichen, gelungenen Fall der Loslösung hat ein Kind gute Chancen, wahrhaft erwachsen zu werden, sich selbst und das eigene Dasein zu genießen und seinen Weg zu gehen. Je besser es sich aus der einst erfahrenen Abhängigkeit von der Mutter entbindet, desto eigenständiger und damit glücklicher wird es als Erwachsener leben, handeln und lieben können.
Dieser Erwachsene muss nicht in einer unerfreulichen, starren Beziehung ausharren, er muss sich nicht vorm Alleinsein fürchten. Er hört auf sich selbst, seine eigene Stimme, er ist eins mit sich selber, all-ein(s).
Sicher ist dies ein etwas idealisiertes Musterbeispiel. Aber die Richtung stimmt. Ein Mensch, der sich selbst liebt, kann andere lieben, ohne sich aufzugeben, sich untreu zu werden und ohne andere und sich selber in lieblos gewordenen Beziehungen und Ehen einzubetonieren. Er wird daran arbeiten, seine Partnerschaft lebendig und fruchtbar zu erhalten und es nicht an Respekt dem anderen gegenüber fehlen lassen, diesen aber auch für sich selbst einfordern.
Selbstliebe - Narzissmus
Natürlich ist mit Selbstliebe weder eitler Narzissmus, Selbstsucht oder verächtliche Arroganz gemeint. Sie ist die wirklich große Liebe unseres Lebens. Lieben wir uns, unser Dasein im Leben, sind wir sehr wahrscheinlich auch voller Liebe für unsere Mitmenschen und unsere Umgebung, für andere Wesen und Kreaturen, für Tiere, die Natur, für die ganze (göttliche) Schöpfung. Die Anerkennung uns selbst gegenüber birgt Liebe und Dankbarkeit für alles Sein. Für unseren Körper wie den von anderen, ebenso für unsere geistigen, spirituellen Fähigkeiten. Von dieser „wahren Liebe“ erfüllte Menschen werden es kaum nötig haben, andere oder sich selbst mit Worten, Taten oder Gedanken zu verletzen. Würde die Obrigkeit unseres Staates aus Menschen bestehen, die respektvollen und freundschaftlichen Umgang mit sich und anderen als wichtig und erstrebenswert erachteten und diese Botschaft vorleben und weitergeben würden, hätte unsere Gesellschaft die allerbesten Aussichten auf Heilung, Glück und Gerechtigkeit für alle.
Doch jeder Einzelne zählt. Jeder, der sich Gedanken über die geltenden Werte und Normen macht, der bereit ist, sich immer wieder neu zu orientieren und alte Muster in Frage zu stellen. Auch alte Gedankenmuster, die sich gegen andere und sich selber, gegen das Leben richten. Niemand ist perfekt oder macht immer alles richtig, darum geht es nicht. Wir müssen und können doch nicht vollkommen oder Heilige sein. Auch ausschließlich um Leichtigkeit oder barrierefreie Wege kann es sich nicht handeln. Ihre Aufgaben müssen alle lösen, jeder auf seine Art und Weise. Doch der/die Liebende, das Leben Bejahende wird vielleicht eher bereit sein, seinen/ihren Weg zu gehen, die Aufgaben im besten Sinne zu bewältigen. Und jeder Mensch, der die allumfassende Liebe in sich trägt oder sich immer wieder an sie erinnert und nach ihr sucht, kann wie ein Licht in seine Umwelt scheinen.
„Liebe ist das Gesicht und der Körper des Universums.“, schreibt Barbara Ann Brennan in ihrem großen Handbuch der Heilung, das sie „allen Reisenden auf dem Weg nach Hause“ widmet. Und weiter: „Sie ist das verbindende Gewebe des Universums, der Stoff aus dem wir gemacht sind. Liebe ist die Erfahrung, ganz zu sein, verbunden mit der Göttlichkeit des Universums.“
Schlusswort
Lassen wir zum Schluss noch einmal den Apostel zu Worte kommen mit der vielleicht bekanntesten Botschaft aus dem „Hohelied der Liebe“: „Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“